Simon Schöfl
Der Irrtum zwischen Sonnenbrand und heißem Wetter
Gehen wir ein Gedankenexperiment durch. Es ist Ende Mai, es gab im Jahr noch nicht allzu viele warme und sonnige Tage. Doch nun soll es genau zum Wochenende viel Sonnenschein geben, allerdings noch bei verhaltenen Temperaturen zwischen 17 und 20 Grad – kalte, trockene Skandinavienluft. Besonders am Morgen ist es mit einstelligen Temperaturen noch kühl, mittags fühlt es sich in der Maisonne aber gefühlt sehr warm an, der Wind ist schwach, man kleidet sich leicht.
Andere Situation: Es ist Ende September, eine außergewöhnlich späte Hitzewelle rollt heran und lädt, wahrscheinlich zum letzten Mal im Jahr, nochmal zum Baden ein. Temperaturen von 30 Grad werden erwartet.
In welcher Situation würdet ihr eher zur Sonnencreme, Kopfbedeckung etc. greifen, und wo würdet ihr zur Mittagszeit die Sonne eher meiden?
Sicherlich mag der eine oder andere eher in der Situation im September zu Sonnenschutz tendieren, während man sich im ersten Fall im Mai eher der Sonne zuneigen mag.
Richtig ist natürlich, sich an beiden Tagen sich ausreichend um Sonnenschutz zu kümmern, wichtiger ist es aber im ersten Fall im Mai. Denn dort ist die Sonnenbrand- und Sonnenstichgefahr viel höher als im zweiten Fall, trotz deutlich kühlerer Temperaturen. Zwar gibt es warme Temperaturen tendenziell eher an sonnigen Tagen, allerdings darf hier Korrelation nicht mit Kausalität verwechselt werden. Temperaturen spielen beim Sonnenbrandrisiko keine Rolle.
Die zwei Hauptgründe, warum im ersten Fall der Sonnenschein deutlich gefährlicher ist:
#1 Die Einstrahlungssärke der Sonne ist viel höher. Das kann man gut daran beurteilen, wie hoch die Sonne am Himmel steht. Morgens und abends steht sie tief über dem Horizont, die Einstrahlungsstärke ist schwach, die Sonnenbrandgefahr gering – anders zur Mittagszeit, wo die Sonne hoch im Himmel steht. Zur Sonnenwende am 21. Juni hat die Sonne ihren Höchststand im Jahresverlauf, genau einen Monat entfernt. Die Sonne ist also genauso stark wie Ende Juli. Außerdem ändert sich aufgrund astronomischer Gesetze die Einstrahlungsintensität bis zur Sonnenwende nur noch geringfügig, sodass man sagen kann, dass zwischen Mitte Mai und Ende Juli die Sonne fast gelichermaßen intensiv scheint.
Blicken wir jetzt auf den zweiten Fall: Ende September ist das Jahr weit fortgeschritten, die Sonnenwende ist bereits 3 Monate her, die Tage sind deutlich kürzer als im Sommer, und auch die Sonne steht selbst mittags nicht mehr besonders hoch am Himmel. Die Sonne scheint nur noch so stark wie Mitte März – eine Zeit im Jahr in der es durchaus noch winterlich sein kann. Im Vergleich dazu scheint die Sonne Ende Mai bereits am Vormittag ab halb 10 Uhr stärker, und da ist noch lange nicht die Mittagszeit erreicht.
Hier gilt ebenso zu beachten: Wenn vor Sonnenschein zur Mittagszeit gewarnt wird, dann ist damit (zumindest in Deutschland zur Sommerzeit) nicht die Mittagszeit um 12 Uhr gemeint, sondern der Zeitpunkt, an dem die Sonne im Himmel am höchsten steht. Das ist bei uns im Sommer deutlich nach 12 Uhr der Fall, meist zwischen viertelvor 1 und halb 2.
#2 Der zweite Grund ist sicherlich jedem klar, vor dem Sommer hat sich die Haut noch nicht an die Sonne gewöhnt. Wenn demnach, wie im ersten Fall beschrieben, der Frühling eher wolkig und kühl verlaufen ist, kann dann ein plötzlicher Umschwung zu Sonnenschein im Spätfrühling oder Frühsommer den Körper und die Haut stark belasten.